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Mannsgöggel

Im Radio reden sie über Wörter. Wörter die speziell sind, nicht mehr viel gebraucht werden. Alte Wörter, schöne Wörter, Wörter an denen Erinnerungen kleben. Sie kleben, aber nicht wie eine ausgelaufene Colabüchse im Rucksack, sondern wie zum Beispiel der Zucker an gebrannten Mandeln. Die Frage des Moderators lautet: «Welches ist dein Lieblingswort?» Ich mache mir Gedanken dazu, aber so auf die Schnelle fällt mir keines ein. Eine Frau meldet sich per Sprachnachricht. Ihr Lieblingswort sei «Mannsgöggel».
Und als ich das höre, kommt mir ganz viel in den Sinn. Mannsgöggel ist ein Wort aus meiner Kindheit. Ich sehe sie vor mir. Es waren sechs Stück. Zwei rote, zwei blaue und zwei weisse Figuren aus Holz. Die Farbe glänzte, vielleicht war es eher eine Art Lack. Nicht alle waren noch gleich schön, zum Teil blätterte die Farbe ab - Gebrauchsspuren halt. Zu diesen Mannsgöggeln gehörte eine «Gigampfi», darauf konnte man sie aufreihen und lernte das (Un)Gleichgewicht kennen.

Ich suche im Internet nach einem Bild, versuche es mit dem Suchbegriff Visa Gloria. Es plopt die rotgelbe Schnecke auf. Die hatten wir auch. Sie wartet derzeit in unserem Estrich auf ein weiteres Comeback. Auch von unseren «Drüradvelölis» gibt es Bilder. Wir hatten zwei, meines war rot mit einer hohen Lenkstange. Auf dem Sattel klebte ein «Abzehbildli» der Vogelwarte Sempach. Das «Gampirössli» dieser Marke ist auch ein Klassiker. Für Weihnachtsgeschenke hat es Peter vor Jahren von einem Original nachgebaut. Von den Mannsgöggel finde kein Bild. Wahrscheinlich war es ein anderer Spielzeughersteller gewesen, an den ich mich nicht erinnern kann. Aber das Wort geht mir nicht mehr aus dem Kopf. «Gireinzlä» und «Saräbitzgi» gesellen sich dazu. Die letzte Möglichkeit an ein Bild zu kommen, besteht darin meinen Bruder anzurufen. Vielleicht sind sie noch bei ihm im Haus, in der orangen Kiste.

Das mache ich dann auch. Wir erzählen uns gegenseitig was alles so läuft, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Seither sind schliesslich schon wieder mehr als zwei Wochen vergangen. Nach 20 Minuten wünschen wir uns einen schönen Abend und verabschieden uns. Nach den Mannsgöggeln zu fragen habe ich vergessen, wie auch ein paar andere Dinge, die wir noch hätten besprechen können.

 

Marco Willi befragt zu

Herde – Hunde – Hitze

«Es ist bedeutend einfacher glücklich zu sein, wenn man zufrieden ist.» sagt Marco Willi und das scheint ihm zu gelingen. In den Monaten Mai und Juni ist er etwas ausserhalb von Trimmis  auf der «Wiita» anzutreffen. Während dieser Zeit ist er für das ganze Vieh, welches auf Trimmiserboden gealpt wird, zuständig. Der 49-jährige hat keinen festen Wohnsitz. Im Sommer ist die Hütte auf der Alp sein zu Hause, im Winter ist es sein mobiler Hirtenwagen. Mit diesem zieht er in der kalten Jahreszeit mit einer Wanderherde durch Italien. Immer mit dabei sind seine drei Hirtenhunde. Im Moment freut er sich auf die kommenden Monate, die er zwischen 1700 und 2300 Meter über Meer verbringen wird, nämlich auf der Alp Stelli.
Sie gehört zu den Alpen von Trimmis und befindet sich im Hochtal nach Valzeina. Dort im hintersten Kessel liegt die Kuhalp Laubenzug, die Alp Zanutsch, welche mit Mutterkühen und Jungvieh bestossen wird und eben die Jungviehalp Stelli. Erreichbar ist sie vom Dorf Furna aus, das hoch über dem mittleren Prättigau liegt. Im kleinen Dorfladen ist Marco vielleicht alle zwei Wochen anzutreffen, wenn er sich mit frischen Lebensmitteln eindeckt. Alles andere wird im Frühling einmal mit dem Helikopter zur Hütte transportiert. Vermissen tut er nichts.  Er versucht zufrieden zu sein und dafür braucht es eigentlich gar nicht viel. «Wenn man zu essen hat und einen trockenen Platz zum Schlafen, hat man genug um zufrieden zu sein. Alles andere ist suplement» ist Marco überzeugt.

Herde

In den letzten Jahren war ich im Winter mit einer Mutterkuhherde im Piemont unterwegs. Die Herde umfasste 270 Tiere aller Alterskategorien. Mit zwei weiteren Hirten und insgesamt sechs Hunden zogen wir von Weide zu Weide. Im Sommer sind meine Herden unterschiedlich gross. Hier auf der Allmend betreue ich, ausser den Milchkühen, das gesamte Vieh, das auf Trimmiserboden gealpt wird. Dieses Jahr beträgt der Maximalbestand 447 Tiere. Die anfallenden Arbeiten bewältige ich alleine. Es macht mir Freude mit so vielen Tieren, mit grossen Herden zu arbeiten. Es ist immer wieder eine Herausforderung, bei dieser Grösse die Übersicht zu behalten. Ab Ende Juni bis Mitte September bin ich mit 220 Tieren, ausschliesslich Jungvieh, auf der Alp Stelli beschäftigt. Ich bin eigentlich recht gerne allein. Im Sommer auf der Alp ist das mein Highlight, nur ich mit den Tieren. Im Winter ist das weiniger der Fall, bei so grossen Herden wird im Team gearbeitet.

Hunde

Damit ich die ganze Arbeit alleine bewältigen kann, bin ich auf die Unterstützung meiner drei Hunde angewiesen. Mein treues Arbeitsteam besteht aus Ricky und Fritz, zwei Working Border Collies und Mäx, einem Australian Kelpie. Der Kelpie ist mit seinen zweieinhalb Jahren noch in der Ausbildung. In ein paar Jahren sollte er den neunjährigen Routinier ersetzen. Weil die Border Collies die Wärme während der Arbeit nicht so gut vertragen, habe ich mich nun für einen Kelpie entschieden. In der Hoffnung, dass dieser weniger Temperatursensitiv ist.

Hitze

Die Temperaturen, vor allem die Hitze, werden je länger je mehr auch auf der Alp zum Thema. Das Thermometer steigt im Sommer heutzutage regelmässig auch in höheren Lagen auf 27° – 28° Celsius. So warm wurde es früher nur im Tal. Schon damals war ich froh, mich dieser Wärme entziehen zu können. In meiner Herde sind mittlerweile auch Zebus zu finden. Ein Bestösser hat auf das hitzebeständige Buckelrind, das vor 10’000 Jahren von der indischen Halbinsel nach Afrika, Australien, Mittel- und Lateinamerika kam, umgestellt. Diese Mutterkühe fressen auch noch bei 27°, während das Taurusrind im Schatten oder im Wind steht und mit der Hitze kämpft. Es verbraucht wertvolle Energie, die schlussendlich dem Fleisch fehlt.

just breath

Ich brauche noch Gurken und ein paar Tomaten. Deshalb fahre ich noch schnell mit dem Velo zum nächsten Laden. Am Eingang lachen mich die frischen Erdbeeren an. Ich nehme eine Schale, lege sie in den gelben Korb, ebenfalls zwei Gurken, die Tomaten muss ich noch abwägen. Ich überlege. Soll ich auch nochmals Fleisch mitnehmen? Es ist mir gestern schwergefallen, drei Kilo Zigeunerschnitzel auf einmal einzukaufen, gefühlt die ganze Kühltruhe. Aber die Jungen mögen essen und es soll genug da sein, schliesslich feiert Lukas nur einmal seinen 20. Geburtstag. Als ich den Laden durchquere, dringt die Hintergrundmusik in mein Bewusstsein. Es ist eines meiner absoluten Lieblingslieder. Ich erkenne es nach den ersten gespielten Takten. Eines der Lieder, die wir an der Trauerfeier unseres Vaters abgespielt hatten.
Es ist ein Wink vom Himmel. 15 Jahre sind seit seinem Tod vergangen, heute auf den Tag genau. Und ich stelle ein bisschen erschrocken fest, dieser heutige Tag liess mir noch keine Sekunde Zeit daran zu denken. Ich nehme nochmals 400 Gramm Fleisch aus dem Kühlregal und dann bleibe ich stehen. Bleibe stehen und höre der Musik zu, hänge meinen Gedanken nach. Erinnere mich an diesen einen Tag. Wieder einmal wird mir richtig klar, wie «jung» Papa eigentlich gestorben ist. Damals war die Zahl 65 noch weit von mir entfernt, mittlerweile habe ich die Hälfte aufgeholt und immer mehr Menschen in meinem Umfeld gehen diesem Alter entgegen.
Ausser mir und der Studentin an der Kasse ist niemand da. Ich stehe zwischen den Regalen mit den Frühstücksflocken und den Zeitschriften. Nach den ersten eineinhalb Minuten, tue ich so, als ob ich mir die verschiedenen Haferflocken ansehe. Denn wahrscheinlich sieht es komisch aus, wie ich hier einfach so herumstehe. Das Lied endet und ich gehe zur Kasse. Die Verschnaufpause hat mir gutgetan. Nun sehe ich dem restlichen Tag etwas gelassener entgegen.

Wer Neues wagt...

Es ist halb eins in der Nacht. Ich bin aufgewacht und zur Toilette gegangen. Nichts Aussergewöhnliches und normalerweise kein Problem für mich gleich wieder weiterzuschlafen. Normalerweise - diesmal nicht. Wenn ich die Augen schliesse spult mein Gehirn die zwei vergangenen Tage ab. Drei Anlässe ganz unterschiedlicher Art. Viele Eindrücke, viele Gespräche, viele Leute, so dass ich Mühe habe, zu zuordnen, wen ich an wo gesehen habe. Manche waren wie ich, bei mehr als einem dabei. Angefangen beim Samstagvormittag lässt mich das nachträgliche Entsetzen nicht mehr los. Warum sitzt frau in Schockstarre auf dem Platz, obwohl es allen Grund gäbe aufzustehen und gegen die Diskriminierung einzustehen, auch wenn sie nur gespielt ist. Nein, wir Frauen bleiben sitzen, würgen noch ein lächeln hervor, obwohl es uns eigentlich im Hals stecken geblieben ist. Und auch ich wage es nicht, im Bericht, den ich noch verfassen darf, ganz konkret auf den Missstand hinzuweisen. Ich will die Organisatorinnen nicht vor den Kopf stossen, möchte ihnen nicht schlechten Geschmack vorwerfen oder fehlende Vorabklärung. Sie haben Neues gewagt und wurden leider nicht belohnt. Das ist sehr schade und hätte anders sein sollen. Im Gegensatz dazu war der Film des Lehrers über seinen Bildungsurlaub am Samstagabend wirklich beeindruckend. Mit dem Velo von hier nach Westafrika, ein Wagnis.

Ich wechsle von der Seiten- in die Bauchlage. Drehe den Kopf mal nach links, mal nach rechts. Aber dort spüre ich meinen verspannten Nacken vom langen Sitzen und verharren in der gleichen Position. Ich denke an Urs und die Tränen kommen. In meinem Kopf werden lauter kleine Spots abgespielt. Erinnerungen. Der Sonntagabend «Suizid – reden wir darüber» hallt nach, obwohl es ein wirklich guter Abend war. Ich war im Voraus sehr skeptisch und als wir als letzte den Raum betraten, Aufmerksamkeit erregten, weil wir einen Moment hin- und hergerissen waren, ob wir es auf den letzten Plätzen in der vordersten Reihe ertragen würden oder ob wir ganz im Abseits sitzen wollten, war ich nahe dran umzukehren. Wir entschieden uns für das Erste und es hat sich gelohnt.

Vielleicht ist es jetzt auch die Anspannung die abfällt, ich hoffe sehr. Auch auf dem Rücken finde ich nicht in einen ruhigen Schlaf. Ich stehe auf, eine Stunde ist vergangen. Soll ich meinen Laptop starten und alles auf Papier bringen? Ich entscheide mich dagegen, nehme mein Kissen und «zügle» auf die Couch. Dort konzentriere ich mich auf meinen Atem, wie wir es jeweils am Schluss des Fitnesstrainings machen. Verscheuche alle Figuren, die immer wieder versuchen durch mein Hirn zu hüpfen. Irgendwann klappt es, eine weitere Stunde oder vielleicht sind es auch mehr sind vergangen und ich gehe zurück ins Bett.

Im Zug

Morgens um 08:00 Uhr besteige ich den Bus, der mich zum Bahnhof bringt. Weil ich in der Schüler- und Lehrerschar, die sich für den Skitag versammelt hat, noch mit allen die ich kenne, etwas schwatze, hätte ich diesen um ein Haar verpasst.

In Buchs gehe ich ohne Stress auf Gleis 3 und warte bis der Zug einfährt. Dieser kommt mit minimer Verspätung. Trotzdem bereite ich mich mental schon für einen Spurt in Sargans vor. Ich setzte mich auf den ersten freien Platz, gleich bei der Tür. Als die Lautsprecheransage ertönt, stehe ich auf. Das ist eigentlich viel zu früh. Das Einfahren dauert ewig. Zwei junge Männer stehen schon an der Tür. Ich reihe mich gleich dahinter ein, keine schlechte Ausgangslage. Die Uhr auf dem Bildschirm zeigt 08:27. Etwas oberhalb und kleiner steht «Ankunft des Zuges 08:24 Uhr». Kurz kommt mir der Gedanke, dass ich es wahrscheinlich nicht schaffen werde. Ich verdränge ihn, es MUSS klappen. Einer der beiden Männer bewegt seine Beine. Ähnlich wie ein 100-Meter-Läufer vor dem Start. Der Zug hält, die Tür öffnet sich. Ich weiss nicht in welche Richtung es geht, deshalb halte mich an die zwei. Im Laufschritt eile ich zwischen anderen Passanten hindurch und bin nicht die Einzige. An der Geraden am Kiosk vorbei erhöhe ich das Tempo etwas, bevor ich die Treppe in die Unterführung, sehe ich, dass der Zug noch dort steht, auf Gleis 2, dem hintersten natürlich. Als Schlussspurt noch die Treppe hinauf, geschafft. Die Zeit reicht sogar noch um einen kurzen Moment hinzustehen, einzusteigen und einen Platz einzunehmen, bevor sich der Zug in Bewegung setzt. Die Plätze sind gut belegt. Mein Gegenüber ist ein junger, blonder Mann in Militärbekleidung.

In Zürich muss ich umsteigen und habe noch genügend Zeit am Kiosk ein Getränk zu kaufen. Der TGV steht schon da, das Perron ist mehr oder weniger leer, vereinzelt eilen noch Passagiere heran, die sofort einsteigen. Eigentlich wollte ich hier meine Schwester treffen, aber sie ist noch nicht da. Ich schaue auf mein Telefon, ob sie mir eine Nachricht geschickt hat. Hat sie nicht. Es bleiben noch ein paar Minuten. Hoffentlich kommt sie. Da winkt mir jemand von weitem zu. Ich warte bei einer Tür, ausser Atem kommt sie bei mir an und wir steigen ein. In Basel verpassen wir dann das Trämli, aber da kommt bald das Nächste.

Um 17:00 treten wir die Rückreise an. Vielleicht war das nicht die beste Idee, aber mich zieht es nach Hause. Der Bahnsteig in Basel ist voll. Ob wir da einen Sitzplatz erwischen? Der Zug fährt ein und zufälligerweise stehen wir direkt vor einer Tür. Der Wagen leert sich und wir können sitzen. Es setzten sich noch zwei Frauen zu uns. Die eine ist am Telefon. Sie spricht leise und ich frage mich, ob die Person am anderen Ende überhaupt etwas versteht. Sie telefoniert ununterbrochen, ohne einmal lauter zu werden, mit fast immer dem gleichem Gesichtsausdruck bis nach Zürich. 
Dort verabschiede ich mich von meiner Schwester, sie muss umsteigen. Ich kann sitzen bleiben. Der Zug leert sich fast komplett, um sich gleich wieder zu füllen. Es ist aber eine andere Art von Passagieren. Natürlich hat es auch wieder gewöhnlich Pendler, aber auch jene mit Rucksäcken, Winterwanderschuhen, Skis. Zürcher die ins Bündnerland reisen. Ich höre Musik und schlafe fast ein. Dieses Mal habe ich auch in Sargans genügend Zeit um umzusteigen, dafür springen andere auf ihren Anschlusszug.

Auch der Railjet ist gut belegt, die meisten haben sich häuslich eingerichtet. Für sie dauert die Fahrt noch etwas länger als für mich. Ankunft in Salzburg um 24:00 Uhr. Auf dem Weg zum Postauto entdecke ich den 100 Meter-Läufer wieder. Ich steige ein und bin kurz nach acht Uhr wieder zu Hause.

Min Schuelwäg

Angefixt von der Bücherreihe edition spoken script, mit Autoren wie Rolf Hermann oder Dominic Oppliger, wollte ich einen Text in dieser Form schreiben.
Und das ist dabei herausgekommen.
Falls du jetzt denkst - oh nein – Mundart les ich nicht, dann versuch es doch trotzdem einmal.

Min Schuelwäg am Morgä:

durs Chiis zwüschäd Isäbarts und Schlegels, überd Johannes Kesslerstross zum Hochhus durä, am Igang vom Hochhus fäbii, rechts diä filä Briefchäschtä und Lütänä, denn lings über dä Parkplatz vom Denner bis zum Zwanzgerblok wo d Nigol gwohnt hät, witer zum Fuessgängerstraifä zum d Hoptstross überqärä, witer Richtig Altärshaim, am Chindergartä Fahr fäbii, uf dä rächte Sitä hät maistens dä Schöferhund vom Fladähans bällt, dä Stutz ufä, rechts s Huus fo Wilds, wo immer oder sicher a Wiehnacht schö gschmükt gsi isch, dFrau Wild hät jo au bim Gärtnär Meister im Bluemäladä gschafft, ihren Hund «Tascha» hät mi mol bissä, däfür hani ganz ä schös Büechli «Der Hase im Glück» übercho, im grossä Hus zoberscht häts Frölain Koch unds Frölain Rohner gwohnt, döt häts än chlinä Brunnä gha, wo mä hät chönnä än chaltä Schluk Wasser trinkä, denn d Stägä ufä und ufäm Pausäplatz vom Schuelhus Rosäbärg wartä bis lütät.

Min Haiwäg:

Wariantä ais: dä glich Wäg wiä am Morgä wider zrugg,
fillicht aber unä bim Beklihus lings abbogä id Kirchstross und den fornä bi dä Frau Walser mit dä Riesäschnauzer und nochr bim Dävi Küenzler fürä, zum döt wider über än Fuessgängerstraifä zum Hochhus durä, fäbii bi dä filä Briefchäschtä, fillicht isch d Frau Küenzler gad no dussä gsi, si wo nu Schuä mit hochä Absätz agha hät, denn wider durs Chiis und hai,

oder nöd überd Stross zum Zwanzgerblok, sondärn lings ufäm Trottwar dä Hoptstross entlang, bim Elektro Brüehwiler is Schaufenschter inägluägät und di schönä Nachtliechtär bewundärät, womä nie übercho hät, will mä aigäntlich scho zalt gsi isch, denn bim Amaker wider überd Stross zum Hochhus durä, fäbii bi dä filä Briefchäschtä, wo fillicht gad d Frau Frisenda Post gholt hät, denn wider durs Chiis und hai.

Wariantä zwai: vom Rosäbärg ufwärts furt, bim Balihöfler sim Stall fäbii und denn abwärts Richtig Chäsi, 
denn entweder rächts s chli Wägli, mir händ dem Zimätschnittäwägli gsait, bis abä zum Gärtnär Meister, wos ä ganz spezielli, gwällti, oroschi Rutschbahn gha hät, lings witär und bim Amaker über d Stross zum Hochhus durä, aber damol denn lings, ufäm Trootwar rächts umä, überd Johannes Kesslerstross und gad witer id Bluemästross, wo dä Herr Nüesch fillicht no öpis idä Garasch am machä gsi isch und denn hai,

oder anstatt durs Zimätschnittäwägli, witer abä über d Stägä, lings hät mä amigs im Wintär chonä schlittlä, rechts da riisig wisse Hus, graad abä bi Goisäs fäbii, wos no ä gschtumpäti Geiss idä Wisä gha hät, bim Zahnarztblok dä Katrin tschüss gsait und fürä ad Hoptstross, übärä zum Löiä, rächts witer am Welo Keller und adä Metzg fäbii, lings hindärä id Bluemästross, fillicht hät am Migele sini Muetter gad usäm Fenschtär grüeft: Migele veniguwa!

Pause

Ich muss schon wieder gähnen, habe eine richtige Krise. Es ist erst viertel vor neun und ich sitze in der Schreibrunde. Leider war es vorauszusehen, denn ich bin gestern erst nach Mitternacht ins Bett gekommen. Da war es noch kein Problem. Ich war aufgekratzt, vom interessanten Nachmittag mit meiner Schwiegermutter, nach der sportlichen Ertüchtigung am Abend und natürlich dem anschliessenden Zusammensein mit meinen Freundinnen. Die Stimmung war so richtig gut. Ein Abend an dem man sich wirklich alles erzählen kann oder könnte, denn für das müsste man die ganze Nacht daran glauben. Alles hatte Platz, Persönliches und der neuste Gosip des Dorfes. Diese Freundschaft ist wirklich etwas vom Schönsten.

Darum wollte ich heute Nachmittag eine Stunde schlafen, um für die Schreibrunde fit zu sein. Der Plan sah so aus. Morgens Büroarbeit, Mittagessen kochen, dazwischen die Waschmaschine füllen, eine ausgiebige Pause und einen Spaziergang machen, alles ganz gemütlich. Aber ich hatte die Rechnung ohne Fiona gemacht. Sie ist diese Woche zum Einzelkind mutiert. Der Bruder ist auswärts auf einer Baustelle, die Schwester bewältigt gerade ihre erste Woche im Berufsleben. Das ist langweilig für das drittgeborene Kind! Ausserdem war sie deprimiert über das Nichtgelingen einer Turnübung und ich vermute noch viel mehr über die Aussicht auf den Schulbeginn und all die Veränderungen die das nächste Jahr mit sich bringen wird.

Irgendetwas mussten wir also unternehmen. Eine solch trübe Stimmung am viertletzten Ferientag geht gar nicht. Ich fragte nach Vorschlägen und da hatte sie auf einmal die zündende Idee. Wir luden also ihr Velo und Josh in den Bus und fuhren nach Wildhaus. Dort angekommen pedalte Fiona auf der Teerstrasse bis ins Oberdorf. Ich ging zu Fuss und nahm natürlich den abwechslungsreicheren, weiteren Weg. Nach knapp zwanzig Minuten rief sie mich an. Sie sei bereits oben und gönne sich eine Glace. Ich war immer noch unten und schon total verschwitzt. Wenigstens brauchte ich nicht mehr Zeit, als vorgesehen. Für den Rückweg nahm ich den Lift, sie liess es laufen und war wieder schneller. Beim Bus schaute ich auf die Uhr, meine Pause schwand dahin, schliesslich war da noch die Minigolfanlage. Fiona war nun so gut gelaunt, dass ich nicht nein sagen konnte. Ich verlor mit zwei Punkten Rückstand. Bei einer Bahn ging nicht alles mit rechten Dingen zu und her. Aber so war es einfacher. Kurz vor halb sechs waren wir zu Hause. Fiona begann sofort den Tisch zu decken und bereitete, auf meinen Wunsch, sogar noch ein Birchermüesli zu. Wow! So konnte ich noch duschen. Es wurde ein richtig geselliger «Znacht» und schon war es Zeit für mich zu gehen. Punkt sieben traf ich als letzte in der Bibliothek ein. Die Pause verschob ich auf unbestimmte Zeit.

M. & P.

Der Friedhof ist nicht der richtige Ort für die Asche unseres Vaters, befand unsere Mutter nach seinem Tod. Wir waren einverstanden, Widerstand wäre zwecklos gewesen. So kam die Urne erst nach Hause und zügelte etwas später mit M. in ihre neue Wohnung.

Anfangs war der Plan die Asche, an einem passenden Ort, zu verstreuen. Passiert ist das elf Jahre lang nicht. Ich gebe zu, ich fragte nie danach, es störte mich nicht, überliess ich das unserer Mutter und dachte für sie passe es so.

Nach ihrem Tod hatten wir Nachkommen also zwei Urnen. Friedhof kam für unsere Mutter noch weniger in Frage. Also bewahrten wir beide auf, anfänglich in der Wohnung, danach im Maiensäss.

Schon lange wollten wir die Sache erledigen, aber der richtige Zeitpunkt sollte lange nicht kommen. Entweder fanden wir kein gemeinsames Datum oder die Jahreszeit passte nicht.
Wieder war der Frühling verstrichen, der Sommer vorüber, aber diesmal der Termin für den Herbst früh genug fixiert. Und so war es am ersten Sonntag im Oktober soweit.

Im Vorfeld hatte sich mein Bruder die Situation vor Ort nochmals angeschaut, einen Platz bestimmt und ein Loch gegraben. Ich machte mir Gedanken über die Art und Weise, wie wir diese Angelegenheit gestalten sollten. Nachdem sich mein Bruder aber klar äusserte «keine Zeremonie», liess ich alle Ideen fallen. Das war mir recht. Es hätte einiges an Energie gekostet. Gut schlafen konnte ich in der Nacht davor trotzdem nicht. Gedanken kreisten in meinem Kopf. Schliesslich hatte niemand von uns Erfahrung, waren die Reaktionen auf den Moment unvorhersehbar.

Das Wetter war wie bestellt. Ein wunderschöner Herbsttag.
Gleich nach der Ankunft begaben wir uns zum Erinnerungs-Bänkli, dass wir schon im Vorjahr aufgestellt hatten. Ganz in der Nähe, bei einem Baumstrunk befand sich das vorbereitete Loch, schön verdeckt mit einem Stein.

Mein Bruder grub das Loch noch etwas tiefer. Wir beschäftigten uns, sammelten Steine, entdeckten Pilze, ich entfachte ein kleines Feuer in einer eisernen Pfanne.
Dann war der Moment gekommen. Zuerst öffneten wir die kupferne Urne unseres Vaters. Die Asche war wie Asche und liess sich leicht in die Grube schütten. Ganz im Gegensatz zur Asche unserer Mutter. Die Urne aus Ton hat etwas Feuchtigkeit durchgelassen. Die Asche sah zwar ebenfalls aus wie Asche, «hockte» aber zusammen, wie die Bouillon in meiner Küche. Mit einer kleinen Schaufel musste ich nachhelfen, auflockern, ausschütten, auflockern, ausschütten. Sie wollte einfach nicht lockerflockig hinterher. In Gedanken machte ich M. darauf aufmerksam, dass das hier, ihre Idee war und sie sich jetzt nicht dagegen sträuben konnte. Ich stocherte nochmals und sie gab nach. Wir füllten das Loch mit Erde auf, deckten die Stelle mit dem Stein wieder ab.

Mit den gesammelten Steinen, legten wir einen Kreis auf den Baustrunk. («Nach Hause kommen» so die Bedeutung bei den Pfadfindern:innen.) Wieder hatten wir zusammen etwas gut geschafft.